Montag, 9. August 2010

Rückkehr

Ich bin wieder zurück. Seit einigen Wochen schon. Ich atme wieder deutsche Luft, trinke wieder deutsches Bier und freue mich über saftige Steaks und knackige Würstchen auf deutschen Grills.
Es ist schon komisch. Man wird schlagartig zurückgeworfen in die alte Umgebung und muss anfangs realisieren: Man hat sich verändert.
Es sind die selben Straßen, die selben Menschen, das selbe Wetter sogar, wie vor deinem Fortgang. Und doch wandelst du über diese Plätze wie im Traum. Wie im tiefsten Schlaf schüttelst du die Hände deiner alten Freunde und Bekannte.
Ich sehe mich auf der Hauptstraße laufen. Es ist wie immer. Nichts hat sich verändert und doch ist es ganz anders. Mein Blick wird fahrig vom Suchen nach bekannten Gesichtern. Jedes Gesicht wird geprüft. Und jeden Moment glaube ich gleich zu erwachen. In Ecuador, in Riobamba.
Aber man gewöhnt sich wieder an die alten Gesichter. Man merkt, dass Fruendschaften auch solche Bestandsprobn halten. Langsam lebt man sich wieder, ohne es genau zu bemerken ein.
Ich kann keinen Zeitpunkt nennen, ab welchem ich nicht mehr so oft an Ecuador dachte und ich mich nicht mehr dabei erwischte mich zu wundern. Mich zu wundern über mich selbst, über altbekanntes Verändertes, über Gleichgebliebenes. Es gibt einen Punkt, ab dem du die Sachen so annimmst. Ab welchem du dich nicht mehr wunderst.
Und du gehst wieder wie selbstverständlich zwischen deinen alten Freunden. Du streitest wieder mit deinen Eltern, du lachst wie früher und trauerst wie früher.
Dann aber gibt es noch immer Momente, die mich ermahnen. Plötzlich fühle ich mich unwohl. Und ich überlege warum. Es ist ein Gefühl der Schuld, das tief in meiner Kehle sitzt und tief kratzt. In diesen Momenten habe ich Angst. Ich habe Angst wieder zurück in meine alten Kreise zu kommen, als wäre nichts geschehen. Als währe Ecuador nie gewesen. Als hätte dieses Jahr nichts gewirkt. Und dann erwische ich mich in diesen Momenten, wie ich vor mich hin Spanisch rede. Nur um es nicht zu vergessen. Dann aber denke ich mir. Ecuador und dieses Jahr und alle Erinnerung sitzen tief in mir. Sind teil von mir geworden. Ein Teil, den mir keiner mehr nehmen kann. Ich habe so vieles gelernt und auch wenn ich mir dessen nicht jeder Minute bewusst sein kann, so trage ich doch unbewusst im Versteckten jede Sekunde dieses Gelernte, Erlebte mit mir.
Ich habe so vieles gelernt in diesem Jahr. Ich habe Probleme gesehen. Lösungen gelernt. Ich habe Freunde gefunden. Menschen getroffen und von frmeden Kulturen gelernt, bis sie nicht mehr fremd waren.
Nun aber gilt es zurückzugeben, was ich bekommen habe. Meine Schuld zu begleichen. Ich habe großes Glück gehabt so viel erleben zu dürfen. Ecuador hat für immer einen Platz in meinem Herzen. Was sehr kitschig klingt, ist denoch wahr. Das Leben in einem Land für eine längere Zeit bewegt dich mehr als du zugeben willst. Und so will ich mir hier ein Versprechen abringen. Ich möchte weitergeben, was ich gelernt und erfahren habe. Mein Wissen klug einsetzen. Ich möchte die Welt ein Stückchen näher wachsen lassen. Ich will Ecuador niemals vergessen..

Zum Schluss von meinem Blog möchte ich jetzt noch allen Lesern danken, die mich ermutigt haben weiter zu schreiben. Ich danke euch für eure Unterstützung und vor allem für eure Rückmeldungen.
Ich stehe am Ende eines reichhaltigen Jahres, doch die Zukunft wird noch größere Früchte bringen. Dessen bin ich mir sicher.
Ich lege euch allen ans Herz nach Ecuador zu fahren. Es ist das vielseitigste Land, das ich jemals gesehen habe. In kürzester Zeit kannst du soviel sehen und soviel erleben. Im tiefsten Regenwald kannst du frühstücken, du lernst fremde Kulturen kennen. Zum Teil leben sie noch vollkommen abgeschieden und autark. Du siehst eine unglaubliche Vollkommenheit und Vielseitigkeit der Natur. Pflanzen, Tiere und das alles in unglaublicher Diversität auf kleinstem Raum.
Dann fährst du weiter und isst in den Anden zu Mittag. Das leckere gebratene Meerschweinchen sei wärmstens ans Herz gelegt. Du bewunderst die reine Schönheit der weich vzerfließenden Ecuadorianischen Anden mit den vielen schneebedeckten Riesen und den feuerspeienden Vulkanen. DU erholst dich kurz in einer der vielen heißen heilenden Mineralquellen und fährst dann zu deinem Abendbrot an die Küste. Wunderschöne Sandstrände aufgereiht wie Perlen an eine rendlosen Halskette unglaublicher Schönheit und Schlichtheit. Du beschaust den Sonnenuntergang, genießt die fast karibische Umgebung zu den Klängen heißer Salsarhythmen und trinkst den kalten Kokossaft.
Auch wenn du an einem Tage von Regenwald, über die Anden, bis an die Küste fahren könntest, so kann ich aus Erfahrung sagen. Nicht einmal ein Jahr genügt um die Vielseitigkeit dieses kleinen Landes zu fassen. Ecuador ist Magie. Lass dich verzaubern.

Donnerstag, 15. Juli 2010

Passierschein II 3/4

Neuigkeiten aus dem Servicewunderland Ecuador.
Zu all der Aufbruchsstimmung, die mich hier in Ecuador erfasst hat, gehört auch alle Verbindungen zu diesem Land zu kappen. Man verabschiedet sich tränenreich von Freunden, arbeitet nur noch pro forma und schliesst das ecuadorianische Bankkonto.
Letzteres aber stellte sich als ungeahnt schwierig heraus.
Schon Mittwoch nachmittag beschloss ich das erste mal mein Konto zu schliessen und machte mich auf zur Hauptstelle der Banco Pichincha. Um kurz nach 4 Uhr am nachmittag kam ich in der Bank an, doch der freundlich grummelnde Sicherheitsmann versicherte mir das eine Kontoschliessung nur von 9 bis 16 Uhr jeden Tag zu erledigen sei.
So vertröstete ich mich auf den nächsten Tag und ging lieber mit einem Arbeitskollegen ein Bier trinken. So weit so gut.
Nächster Tag. Selbes Ziel. Diesmal tauchte ich um Viertel nach Drei in der Bank auf. Und wieder stand der miesgelaunt lächelnde Sicherheitsmann mit herzlichverschränkten Armen an der Treppe. Und wieder fragte ich:" Wo kann ich denn bitte mein Konto schliessen?" - "Leider nur möglich Montag bis Freitag, von 9 Uhr bis..." - "..4 Uhr, ich weiss!", fiel ich ihm ins Wort. - "Mhh.. Ja. Normalerweise schon. Heute aber nur bis 3 Uhr."
Ungläubig starrte ich auf seinen mächtigen Schnauzbart und schüttelte den Kopf. Als er auch anfing seinen Kopf zu schütteln beschloss ich lieber noch ein Bier trinken zu gehen.
Inzwischen Freitag. Man lernt aus seinen Fehlern. Es kam auch eine genervte Mail von einem anderen Freiwilligen an, der ebenfalls erfolglos sein Konto zu schliessen versucht. Immerhin war er schon soweit vorgedrungen mit einem Verantwortlichen zu sprechen. Dieser Verantwortliche aber hatte einen schriftliche Gesuch ob der Schliessung verlangt. Mit Passnummer, Kontonummer, Kartennummer und Ausstellungsdatum.
Mit einem solchen Brief also bewaffnet wagte ich einen weiteren Versuch, diesmal aber morgens. Stolz lächelnd schritt ich an dem müde gähnenden Sicherheismann vorbei und stolperte beinahe auf der Treppe.
Dann aber endlich stand ich vor dem Verantwortlichen. Stolz wedelte ich mit dem Gesuch vor seiner Nase herum. Das Resultat waren gelangweilte Augen, die mich müde musterten. Ich gab ihm auch noch meinen ecuadorianischen Ausweis, der innerhalb von Ecuador komplett als Reisepassersatz gilt. Nach einigem Drehen und Wenden in seiner trocken rissigen Hand, stellte er zufrieden fest, das ich doch meinen Reisepass brauche.
Nun aber reichte es mir. Ich schnauzte freundlich zurück, das er doch bitte lesen solle was auf dem Dokument steht, -gültig für alle innerstaatlichen Formalitäten- ,im übrigen habe ich mit dieser Karte auch das Konto eröffnet, es zu schliessen sollte also doch auch möglich sein! Seine müden Augen musterten mich lange und dann verlangte er zwei Farbkopien des Ausweises. Also wieder Treppe runter. Raus. Kopien machen. Rein. Treppe hoch. Anstellen. Warten. Warten. Warten. Und wieder bei den müden Augen.
Endlich. So dachte ich. Nun folgte die peinlich genaue Untersuchung meiner Unterschriften. Dazu zogen die müden Augen noch ein weiteres AUgenpaar hinzu und zusammen studierten sie mich und meine Unterschriften. Dann tuschelten sie etwas und nickten dann geheimnisvoll. Ich musste erneut unterschreiben und wurde dabei genau beobachtet.
Dann endlich schienen sie mir zu glauben. Ich guckte inzwischen genervt an die Decke oder betrachtete interessiert die Plastikpflanzen in den Plastiktöpfen.
Dann stellten die müden Augen mir 3 Dokumente aus und schickten mich in das Erdgeschoss um mein restliches Geld auf dem Konto zu empfangen.
Wie die müden Augen mir mitgeteilt hatten, stellte ich mich also bei dem Schalter 1 an. Anstellen. Warten. Warten. Warten. Die Frau mit der Brille hinter dem Schalter plauchte inzwischen mit dem Mann vor mir in der Reihe. Sie unterhielten sich über Kinderschuhe. Spannend. Dann war ich an der Reihe. Ich reichte der Frau meine drei identischen Papiere und studierte dann ihre Brille. Sie war schwarz und gross und dick und nicht besonders schön. Sofort reichte sie mir meine Papiere zurück. Ich müsse noch einen Stempel beim Supervisor machen lassen und mich dann an der allgemeinen Schlange anstellen.
Also wieder anstellen. Warten. Warten. Warten. Genervt schaute ich auf die Uhr an meinem Handy. Schon über eine Stunde war ich hier beschäftigt. Dann klopfte mir der altbekannte Sicherheitsmann auf die Schulter und gab mir freundlich raunzend zu verstehen, dass ich hier kein Handy benutzen dürfe. Ich dankte ihm und knirschte ein bisschen mit den Zähnen.
Warten. Warten. Der Supervisor hört sich gerade einen Witz an, es scheint um Geschlechtsverkehr von Katzen zu gehen.
Warten. Dann endlich. Lachend empfängt er mich und studiert eine Weile meine Dokumente. Tippt auf seiner Tastatur herum. Kratzt sich am Kinn und mustert mich lächelnd. "Miesterr", sagt er stempelt auf meinen Papieren herum. Ich verabschiede mich eifrig und stelle mich wieder an. Warten. Warten. Warten. Ich pfeife etwas vor mich hin, bis die Frau vor mir in der Schlange sich empört umdreht. Sie schüttelt den Kopf. Dann schüttele ich auch ein wenig den Kopf und sie schaut wieder nach vorne. Warten. Warten. Warten. Meine Miehne verfinstert sich. Umso fröhlicher scheint der Sicherheitsmann zu werden, der jetzt eifrig hin und her hüpft und breit grinst. Er erinnert mich an den Hausmeister von Scrubs. An DEN Hausmeister. So stehe ich da und gucke links oben ins Leere, während ich vor mich hinträume. Man wird sonderbar von langem Warten. Dann bin ich an der Reihe. Und wieder komme ich zu der Brille von vorhin. Ich begrüsse sie mit einem säuerlichen Lächeln und sie nimmt grusslos meine gestempelten Dokumente entgegen. Dann tippt sie etwas herum. Zählt ein wenig Geld und telefoniert dann noch eine Weile. Endlich entlässt sie mich mit meinem letzten Ersparten und zwei doppelt gestempelten Dokumenten. Ich gehe grusslos. Selber schuld denke ich. Als ich mich umdrehe lächelt sie mir hinterher. Ich lächele aus Reflex auch. NEIN!, denke ich. Es ist schwer böse zu sein.
Treppe hoch. Warten. Warten. Warten. Die müden Augen wirken nun wacher, als sie mich misstrauisch mustern. Warum hat das denn so lange gedauert? Sie mussten doch nur am Schalter 1 ihr Geld in Empfang nehmen. Er schüttelt missbilligend den Kopf. Dummer Gringo. Ich gebe ihm meine Zettel. Er stempelt noch ein wenig, perforiert meine Karte sorgsam und reicht mir dann ein Papier zurück. Das wars auch schon, sagt er lässig. Ich lächle auch. Sauer wie eine Zitrone aber. Das ging ja schnell, sage ich noch. Er aber schaut nur verwundert und ruft dann den nächsten Kunden.
Anderthalb Stunden im Irrenhaus. Endlich wieder auf der Strasse. Ich blinzele zufrieden in die Sonne und rempele freundlich einen erschreckten Passanten an.
Ach Ecuador. Mi lindo país!! Ich liebe dich mit all deinen Macken und Kanten. Oder gerade wegen deinen Macken vielleicht. Du bist so sympathisch fehlbar und menschlich verrückt...


Bilder vom letzten Wochenendtrip mit Yoki und seinen Eltern:


Macas & Sucúa

Mittwoch, 7. Juli 2010

Ein Kurztrip in Szenen

-Aufblende-

Brüllend erheben sich die vier. Sie schreien dem großen Flachbildfernseher entgegen und ballen die Fäuste. 1:0. Die Menschen umher können es nicht fassen. 2:0 Deutsche Jubelschreie. 3:0 Himmelblaue Shirts wischen Tränen fort. 4:0 Alles wird schwarz-rot-gold.
Ich schlage mit Hamit ein. Er ist Iraner. Aber heute trägt er ein schwarz-weißes Shirt, welches uns beider verbindet. Ihm gehört auch die Bar in der wir das Spiel schauen. Die wenigen Himmelblauen haben sich kleinlaut verzogen. Wahrscheinlich trotten sie schweigend durch die sepiafarbenen Gassen Lojas und müssen sich den Spott der strahlenden Sonne ertragen lassen. Uns aber erscheinen die wärmenden Strahlen wie die goldene Dusche des Sieges. Halbfinale. Auf ins Halbfinale heißt es. Und während wir so durch das wunderschöne Loja schlendern werden uns immer wieder erhobene Daumen geschenkt. Man klopft uns auf die Schultern und deutet mit 4 Fingern in den strahlenden Himmel. Man feiert uns, als hätten wir eben selbst auf dem Platz gestanden. Ganz Loja scheint Löws Jungs für eine Szene zu danken:
Ein sprachloser Maradonna.

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Meine Augen gleiten auf das Stroganof und die frischen Spätzle in der Pilzsoße. Langsam lasse ich den Blick höher streifen. Vor mir steht ein frisches Weißbier an dem die Kälte langsam hinunter perlt. Dahinter im Hintergrund eine weiße unschuldige Tafel mit einfachen Lettern: DL 4:0 Arg. Ich muss lächeln. Wie einfach es doch ist glücklich zu sein, denke ich. Und der warme Wind streift mich. Mein Blick wandert träumerisch hinunter ins Tal, während ich einen Schluck Franziskaner nehme. Vilcabamba. Ich hatte ja keine Ahnung... wie verschwenderisch ging ich mit dem Begriff Paradies um. Bevor ich kannte was sich mir hier doch zeigt. Nur dieser Fleck hat diese Formel verdient. So eine sanfte, einfach Schönheit. Vilcabamba prahlt nicht. Aber das muss es auch nicht. Die Natürlichkeit ist sein Geheimnis. Saftige Wiesen, zerfließend weiche Berge, Farbenfrohe Blumenwelt, gekrönt von grotesken Wolkenbildern auf azurblauem Grund. Ganzjährig um 21 Grad mit leichtem Wind, der um dein Gesicht schmeichelt.
Wie einfach Glück doch ist, denke ich wieder. Zufrieden liegt mein Stroganof-Bauch nun am Pool und ich blinzele zufrieden in die Sonne. Dann ein wenig Sport - Tischtennis und Billard und schließlich frisch machen für die große Deutschlandparty am Abend, schließlich wird das Hotel ja von Landsmännern geführt.

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Staubige Steine springen eifrig durch die Luft. Für einen Moment sehe ich alles, wie in Zeitlupe. Immer wieder heben sich die Hufen in die Luft hinauf und stoßen dann wieder kräftig in den Boden der staubigen Wege hinein. Durch Baumwipfel gefilterte Sonnenstrahlen streifen meinen vom Eifer erhitzen Kopf. Mein Kopf ist starr nach vorn gerichtet. Ich habe die Umgebung fest im Blick. Meine Augen trotzen dem scharfen Sonnenlicht. Weite Weideflächen breiten sich vor mir auf. Dann wieder engere Täler. Mal saftig grüne Weiden mit Kühen. Dann wieder Banananplantagen.
Meine Rechte hält hart die ledernen Zügel, während meine Linke rhythmisch die kleine Peitsche schwingt. Vor mir rauscht die breite Mähne des tapferen Tieres und ich kann das freudige Schnauben hören.
Dann aber muss ich aufpassen. Fast hätte ich den Halt verloren. Mitten im Galopp beinahe hinuntergefallen. In letzter Sekunde bekomme ich aber den Sattel zufassen und ich füge mich wieder dem Rhythmus des galoppierenden Pferdes. Werde eins mit dem Rhythmus.
Am Straßenrand grüßt mich ein alter Mann und zieht seinen Hut. Ich nicke ihm zu und bin schon vorüber. Eine kleines Schamgefühl macht sich breit. Wie gut es sich doch manchmal anfühlt mächtig zu wirken. Ich muss an die Gutsherren des 19. Jahrhunderts auf ihren Südamerikanischen Haziendas denken. Doch dann muss ich mich wieder konzentrieren. Fast wäre ich wieder gefallen.

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Loja & Vilcabamba

Dienstag, 29. Juni 2010

Die Stiere Wembleys!

Während der Kalte Krieg nach 20 Jahren mit russischen Spionageskandalen wieder seine starren Finger über unsere heile Welt ausstreckt, dreht sich die Erde in Ecuador in ruhigem Rhythmus weiter.
Die Zeit der Rückkehr nach Deutschland rückt jeden Tag näher und die Gedanken sind wieder bei Freunden und Familie in der Heimat. Hinzu kommt das Deutschland auch hier in Ecuador in aller Munde ist. Seit dem unglaublichen Sieg der jungen deutschen Mannschaft über das erfahrenere England, ist den Ecuadorianern auch mein Heimatland ein Begriff. Spielerisch ganz Gross. Allen die von Glück reden, kann ich nur sagen, wer so schön spielt der hat auch etwas Glück verdient. Und im Hinterkopf eines jeden Deutschen blinkt doch ein kleines rotes Lichtlein auf: Wembley. Nach diesem Spiel fällt es uns endlich leichter die Schande von Wembley zu vergessen. Die Zeit ist gerecht!
Hier in Ecuador sah ich das Spiel um 9 Uhr sonntagmorgens im Kreis der Freunde. Ein Befreudneter Barbesitzer schloss uns seine gemütliche Bar an diesem Sonntagmorgen auf und wir feierten die Revidierung Wembleys mit Nutellabroten, Eiern, Kaffee und Bier.

"They´re going home... they´re going home... England´s going home!" "God shave the Queen!" "Johannesburg, Johannesburg, wir fahren nach Johannesburg!"

Geisterhaft wehten diese Gesänge durch die leeren Strassen des morgendlichen Riobambas. Ein grölender Mob vulgaris zog Fahnenschwenkend durch das Andenstädtchen. Einige erschreckte Indigenas schauten verdutzt mit grossen Augen den schwarz-rot-geilen Wimpeln hinterher.
"Licto, Licto, wir fahren nach Licto!" Die Horde machte sich auf zum grössten Volkfest in der Umgebung. Die Fiestas de Licto. Ein kleines Städtchen südwestlich von Riobamba. Denn Freude will man teilen. Und Grund zum Feiern gab es genug.
Die WM-Feier wurde also auf das Stadtfest von Licto gelegt. Gemeindefest wie es in den Geschichtsbüchern steht: Mit Stierkampf, Blaskapellen, traditionellem Tanz und vor allem mit viel Alkohol.
Es wurde ein Erfolg um es gleich vorweg zu nehmen. Leckerstes Hornado (gegrilltes Schwein am Stück), viel Chicha, Puro und Cerveza (Alkohol), blutrünstige Stiere, glückliche Deutsche.
Es war der erste Dorfstierkampf den ich hier sah. "Los torros del pueblo" (Die Dorfstiere) So der hochtrabende Name des Vergnügens.
Ein wackliges Holzstadion wurde erbaut auf dem grossen Dorfplatz. Nun wurden immer wieder Stiere in die Mitte getrieben und dann wurde getanzt. Ein jeder Mann des Dorfes der etwas auf sich hielt, stieg hinab zu den wütenden jungen Stieren.
Es war ein gefährlicher martialischer Tanz, der aus fernen Urzeiten zu kommen schien. Die betrunkenen Männer, die zwischen den Stieren hindurchtorkelten sorgten für den amüsanten Teil des Spektakels.
Bis hierher gefiel mir das alles recht gut. Es gab einige Aufreger von umgerannten und zertrampelten Trunkenbolden. Aber nichts ernsthaftes. Ich konnte den Stierkampf weiterhin gegen alle traditionsfernen Hippikritiker verteidigen.
Dann aber kam der Höhepunkt des Spektakels...
Der gross angekündigte mexikanische Stierkämpfer im traditionellen aber etwas engen Dress begann nach einer Ehrenrunde im Stadion seinen Kampf. Es war ein mächtiger Stier und der leichtfüssige Tanz des fuchrlosen Mexikaners konnte mich beeindrucken. Bald darauf verwundete er den Stier mit 4 Lanzen und der deutschlich verwundete Stier kämpfte langsamer und mit heraushängender Zunge. Dann aber sollte der Gandenstoss folgen. Der einfache Sebelhieb durch den Rücken in das Herz. Kurz und schmerzlos. Doch irgnedwie wollte der Mexikanische Lakai nicht treffen. Immer wieder versuchte er den Sebel in den Stier zu stechen. Das Herz aber traf er auch nach dem achten Male nicht. Inzwischen war die Arena auch wieder gefüllt mit Trunkenbolden und anderen mutigen Gesellen. Denn der Stier war detuschlich geschwächt. Zusammen kreisten sie den Stier immer wieder ein. Doch der Mexikaner traf und traf nicht. Er fügte dem Stier nur immer neue klaffende Wunden zu.
Der verwundete Stier, welchen ich für seine Eleganz und seinen Stolz bewundert hatte, wurde nun von betrunkenen Feiglingen getreten und bespuckt. Feiglinge mit roten Schnappsnasen bespuckten das edle Tier. Man zog an seinem Schwanz und trat immer wieder auf ihn ein.
Und endlich wurde der unfähige Mexikaner des Platzes verwiesen und der Stier in sein Gehege zurückgeführt.
Dann aber lief der Mexiknaer sich feiernd noch eine Ehrenrunde. Und wirklich das Volk jubelte diesem Taugenichts zu. Erst als wir ihm zu spüren gaben, das er schlecht war begannen auch andere ihn als unfähig zu beschimpfen.
In meiner Gunst steht er ganz tief. Nicht nur weil er das arme stolze Tier unnötig gequält hatte, sondern auch weil meiner Verteidigung des Stierkampfes die Argumente bei solcher Stümperei ausgehen. Was wir hier sahen war wirklich eine Qual. Für Tier und Mensch.
Läuft der Kampf aber professionell und wohlgeführt ab, so verteidige ich diese Art der Unterhaltung noch immer.
Wir aber fuhren nach diesem Spektakel deutlich alkoholisiert zurück nach Riobamba.
Sieg für Deutschland. Schmach für England. Schande über den Torrero. Trauer über den Stier.

Fiesta de Licto

Dienstag, 22. Juni 2010

Namen über Namen

Nun, da sich mein Auslandsjahr dem Ende neigt ist es langsam zeit einige (All)gemeinheiten über Ecuador zu erzählen.
ZU diesem Kuriositätenkabinett gehören zum Beispiel die Namen. Die Menschen in Ecuador haben vor allem sehr bekannte Namen wie Jonathan, Miguel oder Simón. Und jeder zweite hier heisst Jose Maria. In letzter Zeit aber sind besondere Namen sehr in Mode. Wo in Deutschland sich Kevin seiner Beliebtheit erfreut, so sind hier vor allem Lenin, Stalin oder Hitler immer beliebtere Vornamen. Vor allem auf dem Land erfreuen sich diese Namen einer grossen Beliebtheit bei der indigenen Bevölkerung. Wenn Stalin also mal wieder Lenin ärgert, dann bewirft der kleine Hitler vielleicht gerade Hunde mit Steinen.
Wie es der Zufall wollte hiess auf den Galapagosinseln unser Bootsführer auch Hitler. Wir haben uns sofort super verstanden.
Meine Lieblingsnamenkombination sehe ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit. Mit dem Bus fahre ich jeden Morgen an der Kanzlei von Anwalt Hitler Guevara vorbei. Schon wegen den wäre er meine Wahl.
Der kleine Usnavi aber aus einer Comunidad nahe dem Chimborazo hat eine ganz besondere Namensgeschichte. Geboren wurde er an der ecuadorianischen Küste bei Manta in der Nähe des ehemaligen nordamerikanischen Stützpunktes. Sein Vater war örtlicher Fischer und freute sich unglaublich über die Geburt seinens ersten Kindes. Er wollte seinem Sohn einen besonderen Namen geben. Einen mächtigen Namen. Einen Namen, der seines Sohnes würdig sei. Und so stand er aufgeregt mit glühenden Wangen an Bord seines kleinen Fischerbootes und blickte über die grossen Kriegsschiffe des amerikanischen Militärs. Und plötzlih wusste er einen Namen für seinen Sohn. Verschwommene, doch noch immer stolze Letter an dem mächtigen Bug des grauen Schiffes präsentierten ihm den Namen seines Sohnes: US Navy! Er sollte Usnavi heissen. Usnavi Yupanqui Daquilema.

Im hohen Norden

Ob der nahenden Heimatrückführung sinkt die Motivation für lange Blogeinträge deutlich. Nur noch ein Monat auf den Tag genau und ich bin zurück in deutschen Gefielden.
Erwähnen will ich dennoch meine kurze Reise an diesem Wochenende.
WIeder einmal stand dei hauptstadt auf dem Programm. Freitag nachmittag nach der Arbeit wurde sich in Schale geworfen und dann ging es nach Quito zum Feiern. Freunde von mir feierten ihren Abschied von Ecuador.
Nach Monaten der Hauspartyabstinenz wurden wir nun endlich wieder erlöst. Eine grosse Hausparty mit allen Eetails stand auf dem Programm und forderte uns den ganzen Freitagabend.
Am Samstagmorgen erwachte ich etwas zermatscht aber glücklich. Nach einem Kaffee, Keksen, frischem Obstsalat und einem Bagel mit Frischkäse war ich gerüstet für das restliche Wochenende.
Wir fuhren nach Otavalo um Mitbringsel zu kaufen und Umrundeten die Lagune Cuicocha. Mehr passierte nicht. Schön war es trotzdem.

Party Sandra


Otavalo Cuicotcha

Mittwoch, 16. Juni 2010

Reise nach Mordor

Nach einer Woche bin ich wahrlich wieder zurück. Eine arbeitsreiche erste Woche liegt hinter mir. Inspektionsbesuche auf den Comunidades, Aktualisierungen der Quinuadaten und jede Menge neues Quinua, welches gewogen und getragen werden wollte, boten mir eine unterhaltsame erste Woche zurück in Riobamba.
Es ist Freitagnachmittag und ich bin unheimlich müde. Die starke Andensonne und die vielen Aufgaben der Woche haben mich erschöpft. Das merke ich.
Doch für den heutigen Tag steht Großes an. Weltbewegendes.


Seit etwa zwei Wochen ist Mama Tungurahua wieder aktiv. Unser Hausvulkan spuckt Lava, Asche und Steine. Die dichten schwarzen Aschewolken wurden bis an die Küste nach Esmeraldas und Guayaquil getragen, sodass die armen Küstenbewohner ihre Häuser nur noch mit dichten Atemmasken verlassen konnten.
In Riobamba aber, eine der nächsten Städte des Tugurahua ist es verhältnismäßig ruhig. Riobambas Schulen wurden kurweilig evakuiert. Etwas Asche ist gefallen. Und vor allem Nachts schrecken einen immer wieder kleine Erdstöße oder das laute Grummeln des Berges auf.
Meine Arbeitskollegen und ich wollten mehr. Wir wollten das absolute Abenteuer. Den Nervenkitzel. Unseren Wagemut auf eine neue Spitze heben.
Wir wollten ganz dicht heran. So dicht als nur möglich.
So rottete sich eine kleine Gruppe wagemutiger Abenteurer zusammen und wir brachen am Freitagabend nach der Abreit in 2 Wagen auf. Eine Gruppe kaufte leckere Hühnchenschlegel mit Pommes für unterwegs, während wir Carlos in Guano abholten. Er hatte seine berühmt berüchtigte “Leche de Tigre” gemacht. Eine ecuadorianische Version des White Russian mit Zuckerrohrschnaps, Eiern und Milch.
Dann brachen wir auf. Ins Lande Mordor wie es schien. Der Schicksalsberg schrie laut seine Wut in die klate Nacht und die Schlücke aus der wärmenden Schnapsflasche wurden größer.
Wir kamen ohne weitere Zwischenfälle bis kurz hinter Penipe, doch dann verperrten uns die Wächter der Finsternis den Durchgang. Die Polizisten hatten die Anweisung niemanden passieren zu lassen. Zu groß sei die Gefahr, warnten sie uns.
In Ecuador aber heißt ein Nein nicht immer Nein. Zumindest wenn diese Ablehnung ein Uniformierter formuliert, so gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Zunächst versuchten wir uns als Journalisten der Radiofonicas Populares del Ecuador auszugeben, die Tonaufnahmen des grollenden Berges machen wollen. Für diesen Zweck hatten wir uns zuvor Ausweise der Journalisten ausgeliehen.
Wir diskutierten lange mit den Uniformierten, wiesen unsere handys als Aufnahmegeräte aus und boten schließlich etwas zu trinken an.
Dann durften wir passieren. Eine Stunde in der Sperrzone. Nicht länger. Auf eigene Gefahr.
Und so holperten wir die letzten Minuten hinauf zum Tungurahua. Das Land um uns wurde immer dunkler. Eine dicke Ascheschicht bedeckte alles. Straßen, Pflanzen, Häuser und Kühe. Alles war in eine graue Aschehaut gehüllt.
Schließlich kamen wir mit dem Auto nicht mehr weiter und mussten den Weg zu Fuss fortsetzen. Hier oben. Auf einer Höhe mit dem mächtigen Berg. Hier oben nahm man das Keuchen des Berges vollkommen wahr. Einem rhythmischen Stampfen gleich, grollt der Berg unablässlich in tiefen, rollenden Tönen. Als würden gierige Hände tief im inneren des Berges eifrig das Gestein zerklopfen. So klingt es aus dem Herzen.
Wie eine mächtige Dampfmaschiene, die unaufhaltsam ihrem Untergang entgegenrast.
Die Kuppe des Berges aber war in Rauch und Nebel gelegt. Auch wir selbst standen in diesem Nebel.
Die Erde zitterte immer wieder. Dazu das heftige Klopfen eines Uhrwerks. Zur Beruhigung ließen wir noch einmal die wärmende Flasche kreisen, schlangen gierig unser vielleicht letztes Mahl hinunter und lenkten uns dann mit Musik ab. Wir hatten Gitarren, Chanrangos und Panflöten mitgebracht und versuchten nun den mächtigen Berg in den Schlaf zu singen. Immer wieder aber übertönte uns sein wütendes Keuchen, auf das wir uns, die Zeit immer im Blick, bald an den Abstige machten.
Zurück in gemäßigter Zivilisation, bei unseren uniformierten Freunden, ließen wir uns noch etwas nieder. Es waren inzwischen viele Menschen hier. Sie alle saßen auf der Terasse des kleinen Gasthauses. Man lachte, aß und trank.
Es war eine schöne Runde und wir feierten noch etwas mit den Bewohnern.
Dann aber.. Ein mächtiges Donnern und wir konnten den Himmel brennen sehen. Es war als hätte sich die schwarze Tür der Nacht mit einem Mal aufgetan. Heraus quoll rotglühende Hitze. Das Innerste des Berges wurde immer wieder hinauskatapulitert in die schwarze Nacht. Die Lieder verstummten. Alle starrten wie gebannt auf das Feuer am Himmel. Glühende Brocken flogen dort am Horizont in hohen Bögen umher...
Dantes Inferno zeigte eine Kostprobe.
Und wir warem mit einem Mal sehr froh nicht mehr oben am Schicksalsberg zu stehen...


Die Bilder, die ich versuchte von dem Höllenschlunt aufzunehmen, wurden leider zu dunkel, anstelle dessen ein Bild, das ebenfalls dieser Tage hier am Tungurahua aufegnommen wurde. Jedoch von professionellen Kameras: