Mittwoch, 7. Juli 2010

Ein Kurztrip in Szenen

-Aufblende-

Brüllend erheben sich die vier. Sie schreien dem großen Flachbildfernseher entgegen und ballen die Fäuste. 1:0. Die Menschen umher können es nicht fassen. 2:0 Deutsche Jubelschreie. 3:0 Himmelblaue Shirts wischen Tränen fort. 4:0 Alles wird schwarz-rot-gold.
Ich schlage mit Hamit ein. Er ist Iraner. Aber heute trägt er ein schwarz-weißes Shirt, welches uns beider verbindet. Ihm gehört auch die Bar in der wir das Spiel schauen. Die wenigen Himmelblauen haben sich kleinlaut verzogen. Wahrscheinlich trotten sie schweigend durch die sepiafarbenen Gassen Lojas und müssen sich den Spott der strahlenden Sonne ertragen lassen. Uns aber erscheinen die wärmenden Strahlen wie die goldene Dusche des Sieges. Halbfinale. Auf ins Halbfinale heißt es. Und während wir so durch das wunderschöne Loja schlendern werden uns immer wieder erhobene Daumen geschenkt. Man klopft uns auf die Schultern und deutet mit 4 Fingern in den strahlenden Himmel. Man feiert uns, als hätten wir eben selbst auf dem Platz gestanden. Ganz Loja scheint Löws Jungs für eine Szene zu danken:
Ein sprachloser Maradonna.

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Meine Augen gleiten auf das Stroganof und die frischen Spätzle in der Pilzsoße. Langsam lasse ich den Blick höher streifen. Vor mir steht ein frisches Weißbier an dem die Kälte langsam hinunter perlt. Dahinter im Hintergrund eine weiße unschuldige Tafel mit einfachen Lettern: DL 4:0 Arg. Ich muss lächeln. Wie einfach es doch ist glücklich zu sein, denke ich. Und der warme Wind streift mich. Mein Blick wandert träumerisch hinunter ins Tal, während ich einen Schluck Franziskaner nehme. Vilcabamba. Ich hatte ja keine Ahnung... wie verschwenderisch ging ich mit dem Begriff Paradies um. Bevor ich kannte was sich mir hier doch zeigt. Nur dieser Fleck hat diese Formel verdient. So eine sanfte, einfach Schönheit. Vilcabamba prahlt nicht. Aber das muss es auch nicht. Die Natürlichkeit ist sein Geheimnis. Saftige Wiesen, zerfließend weiche Berge, Farbenfrohe Blumenwelt, gekrönt von grotesken Wolkenbildern auf azurblauem Grund. Ganzjährig um 21 Grad mit leichtem Wind, der um dein Gesicht schmeichelt.
Wie einfach Glück doch ist, denke ich wieder. Zufrieden liegt mein Stroganof-Bauch nun am Pool und ich blinzele zufrieden in die Sonne. Dann ein wenig Sport - Tischtennis und Billard und schließlich frisch machen für die große Deutschlandparty am Abend, schließlich wird das Hotel ja von Landsmännern geführt.

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Staubige Steine springen eifrig durch die Luft. Für einen Moment sehe ich alles, wie in Zeitlupe. Immer wieder heben sich die Hufen in die Luft hinauf und stoßen dann wieder kräftig in den Boden der staubigen Wege hinein. Durch Baumwipfel gefilterte Sonnenstrahlen streifen meinen vom Eifer erhitzen Kopf. Mein Kopf ist starr nach vorn gerichtet. Ich habe die Umgebung fest im Blick. Meine Augen trotzen dem scharfen Sonnenlicht. Weite Weideflächen breiten sich vor mir auf. Dann wieder engere Täler. Mal saftig grüne Weiden mit Kühen. Dann wieder Banananplantagen.
Meine Rechte hält hart die ledernen Zügel, während meine Linke rhythmisch die kleine Peitsche schwingt. Vor mir rauscht die breite Mähne des tapferen Tieres und ich kann das freudige Schnauben hören.
Dann aber muss ich aufpassen. Fast hätte ich den Halt verloren. Mitten im Galopp beinahe hinuntergefallen. In letzter Sekunde bekomme ich aber den Sattel zufassen und ich füge mich wieder dem Rhythmus des galoppierenden Pferdes. Werde eins mit dem Rhythmus.
Am Straßenrand grüßt mich ein alter Mann und zieht seinen Hut. Ich nicke ihm zu und bin schon vorüber. Eine kleines Schamgefühl macht sich breit. Wie gut es sich doch manchmal anfühlt mächtig zu wirken. Ich muss an die Gutsherren des 19. Jahrhunderts auf ihren Südamerikanischen Haziendas denken. Doch dann muss ich mich wieder konzentrieren. Fast wäre ich wieder gefallen.

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Loja & Vilcabamba

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