Dienstag, 29. Juni 2010

Die Stiere Wembleys!

Während der Kalte Krieg nach 20 Jahren mit russischen Spionageskandalen wieder seine starren Finger über unsere heile Welt ausstreckt, dreht sich die Erde in Ecuador in ruhigem Rhythmus weiter.
Die Zeit der Rückkehr nach Deutschland rückt jeden Tag näher und die Gedanken sind wieder bei Freunden und Familie in der Heimat. Hinzu kommt das Deutschland auch hier in Ecuador in aller Munde ist. Seit dem unglaublichen Sieg der jungen deutschen Mannschaft über das erfahrenere England, ist den Ecuadorianern auch mein Heimatland ein Begriff. Spielerisch ganz Gross. Allen die von Glück reden, kann ich nur sagen, wer so schön spielt der hat auch etwas Glück verdient. Und im Hinterkopf eines jeden Deutschen blinkt doch ein kleines rotes Lichtlein auf: Wembley. Nach diesem Spiel fällt es uns endlich leichter die Schande von Wembley zu vergessen. Die Zeit ist gerecht!
Hier in Ecuador sah ich das Spiel um 9 Uhr sonntagmorgens im Kreis der Freunde. Ein Befreudneter Barbesitzer schloss uns seine gemütliche Bar an diesem Sonntagmorgen auf und wir feierten die Revidierung Wembleys mit Nutellabroten, Eiern, Kaffee und Bier.

"They´re going home... they´re going home... England´s going home!" "God shave the Queen!" "Johannesburg, Johannesburg, wir fahren nach Johannesburg!"

Geisterhaft wehten diese Gesänge durch die leeren Strassen des morgendlichen Riobambas. Ein grölender Mob vulgaris zog Fahnenschwenkend durch das Andenstädtchen. Einige erschreckte Indigenas schauten verdutzt mit grossen Augen den schwarz-rot-geilen Wimpeln hinterher.
"Licto, Licto, wir fahren nach Licto!" Die Horde machte sich auf zum grössten Volkfest in der Umgebung. Die Fiestas de Licto. Ein kleines Städtchen südwestlich von Riobamba. Denn Freude will man teilen. Und Grund zum Feiern gab es genug.
Die WM-Feier wurde also auf das Stadtfest von Licto gelegt. Gemeindefest wie es in den Geschichtsbüchern steht: Mit Stierkampf, Blaskapellen, traditionellem Tanz und vor allem mit viel Alkohol.
Es wurde ein Erfolg um es gleich vorweg zu nehmen. Leckerstes Hornado (gegrilltes Schwein am Stück), viel Chicha, Puro und Cerveza (Alkohol), blutrünstige Stiere, glückliche Deutsche.
Es war der erste Dorfstierkampf den ich hier sah. "Los torros del pueblo" (Die Dorfstiere) So der hochtrabende Name des Vergnügens.
Ein wackliges Holzstadion wurde erbaut auf dem grossen Dorfplatz. Nun wurden immer wieder Stiere in die Mitte getrieben und dann wurde getanzt. Ein jeder Mann des Dorfes der etwas auf sich hielt, stieg hinab zu den wütenden jungen Stieren.
Es war ein gefährlicher martialischer Tanz, der aus fernen Urzeiten zu kommen schien. Die betrunkenen Männer, die zwischen den Stieren hindurchtorkelten sorgten für den amüsanten Teil des Spektakels.
Bis hierher gefiel mir das alles recht gut. Es gab einige Aufreger von umgerannten und zertrampelten Trunkenbolden. Aber nichts ernsthaftes. Ich konnte den Stierkampf weiterhin gegen alle traditionsfernen Hippikritiker verteidigen.
Dann aber kam der Höhepunkt des Spektakels...
Der gross angekündigte mexikanische Stierkämpfer im traditionellen aber etwas engen Dress begann nach einer Ehrenrunde im Stadion seinen Kampf. Es war ein mächtiger Stier und der leichtfüssige Tanz des fuchrlosen Mexikaners konnte mich beeindrucken. Bald darauf verwundete er den Stier mit 4 Lanzen und der deutschlich verwundete Stier kämpfte langsamer und mit heraushängender Zunge. Dann aber sollte der Gandenstoss folgen. Der einfache Sebelhieb durch den Rücken in das Herz. Kurz und schmerzlos. Doch irgnedwie wollte der Mexikanische Lakai nicht treffen. Immer wieder versuchte er den Sebel in den Stier zu stechen. Das Herz aber traf er auch nach dem achten Male nicht. Inzwischen war die Arena auch wieder gefüllt mit Trunkenbolden und anderen mutigen Gesellen. Denn der Stier war detuschlich geschwächt. Zusammen kreisten sie den Stier immer wieder ein. Doch der Mexikaner traf und traf nicht. Er fügte dem Stier nur immer neue klaffende Wunden zu.
Der verwundete Stier, welchen ich für seine Eleganz und seinen Stolz bewundert hatte, wurde nun von betrunkenen Feiglingen getreten und bespuckt. Feiglinge mit roten Schnappsnasen bespuckten das edle Tier. Man zog an seinem Schwanz und trat immer wieder auf ihn ein.
Und endlich wurde der unfähige Mexikaner des Platzes verwiesen und der Stier in sein Gehege zurückgeführt.
Dann aber lief der Mexiknaer sich feiernd noch eine Ehrenrunde. Und wirklich das Volk jubelte diesem Taugenichts zu. Erst als wir ihm zu spüren gaben, das er schlecht war begannen auch andere ihn als unfähig zu beschimpfen.
In meiner Gunst steht er ganz tief. Nicht nur weil er das arme stolze Tier unnötig gequält hatte, sondern auch weil meiner Verteidigung des Stierkampfes die Argumente bei solcher Stümperei ausgehen. Was wir hier sahen war wirklich eine Qual. Für Tier und Mensch.
Läuft der Kampf aber professionell und wohlgeführt ab, so verteidige ich diese Art der Unterhaltung noch immer.
Wir aber fuhren nach diesem Spektakel deutlich alkoholisiert zurück nach Riobamba.
Sieg für Deutschland. Schmach für England. Schande über den Torrero. Trauer über den Stier.

Fiesta de Licto

Dienstag, 22. Juni 2010

Namen über Namen

Nun, da sich mein Auslandsjahr dem Ende neigt ist es langsam zeit einige (All)gemeinheiten über Ecuador zu erzählen.
ZU diesem Kuriositätenkabinett gehören zum Beispiel die Namen. Die Menschen in Ecuador haben vor allem sehr bekannte Namen wie Jonathan, Miguel oder Simón. Und jeder zweite hier heisst Jose Maria. In letzter Zeit aber sind besondere Namen sehr in Mode. Wo in Deutschland sich Kevin seiner Beliebtheit erfreut, so sind hier vor allem Lenin, Stalin oder Hitler immer beliebtere Vornamen. Vor allem auf dem Land erfreuen sich diese Namen einer grossen Beliebtheit bei der indigenen Bevölkerung. Wenn Stalin also mal wieder Lenin ärgert, dann bewirft der kleine Hitler vielleicht gerade Hunde mit Steinen.
Wie es der Zufall wollte hiess auf den Galapagosinseln unser Bootsführer auch Hitler. Wir haben uns sofort super verstanden.
Meine Lieblingsnamenkombination sehe ich jeden Tag auf dem Weg zur Arbeit. Mit dem Bus fahre ich jeden Morgen an der Kanzlei von Anwalt Hitler Guevara vorbei. Schon wegen den wäre er meine Wahl.
Der kleine Usnavi aber aus einer Comunidad nahe dem Chimborazo hat eine ganz besondere Namensgeschichte. Geboren wurde er an der ecuadorianischen Küste bei Manta in der Nähe des ehemaligen nordamerikanischen Stützpunktes. Sein Vater war örtlicher Fischer und freute sich unglaublich über die Geburt seinens ersten Kindes. Er wollte seinem Sohn einen besonderen Namen geben. Einen mächtigen Namen. Einen Namen, der seines Sohnes würdig sei. Und so stand er aufgeregt mit glühenden Wangen an Bord seines kleinen Fischerbootes und blickte über die grossen Kriegsschiffe des amerikanischen Militärs. Und plötzlih wusste er einen Namen für seinen Sohn. Verschwommene, doch noch immer stolze Letter an dem mächtigen Bug des grauen Schiffes präsentierten ihm den Namen seines Sohnes: US Navy! Er sollte Usnavi heissen. Usnavi Yupanqui Daquilema.

Im hohen Norden

Ob der nahenden Heimatrückführung sinkt die Motivation für lange Blogeinträge deutlich. Nur noch ein Monat auf den Tag genau und ich bin zurück in deutschen Gefielden.
Erwähnen will ich dennoch meine kurze Reise an diesem Wochenende.
WIeder einmal stand dei hauptstadt auf dem Programm. Freitag nachmittag nach der Arbeit wurde sich in Schale geworfen und dann ging es nach Quito zum Feiern. Freunde von mir feierten ihren Abschied von Ecuador.
Nach Monaten der Hauspartyabstinenz wurden wir nun endlich wieder erlöst. Eine grosse Hausparty mit allen Eetails stand auf dem Programm und forderte uns den ganzen Freitagabend.
Am Samstagmorgen erwachte ich etwas zermatscht aber glücklich. Nach einem Kaffee, Keksen, frischem Obstsalat und einem Bagel mit Frischkäse war ich gerüstet für das restliche Wochenende.
Wir fuhren nach Otavalo um Mitbringsel zu kaufen und Umrundeten die Lagune Cuicocha. Mehr passierte nicht. Schön war es trotzdem.

Party Sandra


Otavalo Cuicotcha

Mittwoch, 16. Juni 2010

Reise nach Mordor

Nach einer Woche bin ich wahrlich wieder zurück. Eine arbeitsreiche erste Woche liegt hinter mir. Inspektionsbesuche auf den Comunidades, Aktualisierungen der Quinuadaten und jede Menge neues Quinua, welches gewogen und getragen werden wollte, boten mir eine unterhaltsame erste Woche zurück in Riobamba.
Es ist Freitagnachmittag und ich bin unheimlich müde. Die starke Andensonne und die vielen Aufgaben der Woche haben mich erschöpft. Das merke ich.
Doch für den heutigen Tag steht Großes an. Weltbewegendes.


Seit etwa zwei Wochen ist Mama Tungurahua wieder aktiv. Unser Hausvulkan spuckt Lava, Asche und Steine. Die dichten schwarzen Aschewolken wurden bis an die Küste nach Esmeraldas und Guayaquil getragen, sodass die armen Küstenbewohner ihre Häuser nur noch mit dichten Atemmasken verlassen konnten.
In Riobamba aber, eine der nächsten Städte des Tugurahua ist es verhältnismäßig ruhig. Riobambas Schulen wurden kurweilig evakuiert. Etwas Asche ist gefallen. Und vor allem Nachts schrecken einen immer wieder kleine Erdstöße oder das laute Grummeln des Berges auf.
Meine Arbeitskollegen und ich wollten mehr. Wir wollten das absolute Abenteuer. Den Nervenkitzel. Unseren Wagemut auf eine neue Spitze heben.
Wir wollten ganz dicht heran. So dicht als nur möglich.
So rottete sich eine kleine Gruppe wagemutiger Abenteurer zusammen und wir brachen am Freitagabend nach der Abreit in 2 Wagen auf. Eine Gruppe kaufte leckere Hühnchenschlegel mit Pommes für unterwegs, während wir Carlos in Guano abholten. Er hatte seine berühmt berüchtigte “Leche de Tigre” gemacht. Eine ecuadorianische Version des White Russian mit Zuckerrohrschnaps, Eiern und Milch.
Dann brachen wir auf. Ins Lande Mordor wie es schien. Der Schicksalsberg schrie laut seine Wut in die klate Nacht und die Schlücke aus der wärmenden Schnapsflasche wurden größer.
Wir kamen ohne weitere Zwischenfälle bis kurz hinter Penipe, doch dann verperrten uns die Wächter der Finsternis den Durchgang. Die Polizisten hatten die Anweisung niemanden passieren zu lassen. Zu groß sei die Gefahr, warnten sie uns.
In Ecuador aber heißt ein Nein nicht immer Nein. Zumindest wenn diese Ablehnung ein Uniformierter formuliert, so gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Zunächst versuchten wir uns als Journalisten der Radiofonicas Populares del Ecuador auszugeben, die Tonaufnahmen des grollenden Berges machen wollen. Für diesen Zweck hatten wir uns zuvor Ausweise der Journalisten ausgeliehen.
Wir diskutierten lange mit den Uniformierten, wiesen unsere handys als Aufnahmegeräte aus und boten schließlich etwas zu trinken an.
Dann durften wir passieren. Eine Stunde in der Sperrzone. Nicht länger. Auf eigene Gefahr.
Und so holperten wir die letzten Minuten hinauf zum Tungurahua. Das Land um uns wurde immer dunkler. Eine dicke Ascheschicht bedeckte alles. Straßen, Pflanzen, Häuser und Kühe. Alles war in eine graue Aschehaut gehüllt.
Schließlich kamen wir mit dem Auto nicht mehr weiter und mussten den Weg zu Fuss fortsetzen. Hier oben. Auf einer Höhe mit dem mächtigen Berg. Hier oben nahm man das Keuchen des Berges vollkommen wahr. Einem rhythmischen Stampfen gleich, grollt der Berg unablässlich in tiefen, rollenden Tönen. Als würden gierige Hände tief im inneren des Berges eifrig das Gestein zerklopfen. So klingt es aus dem Herzen.
Wie eine mächtige Dampfmaschiene, die unaufhaltsam ihrem Untergang entgegenrast.
Die Kuppe des Berges aber war in Rauch und Nebel gelegt. Auch wir selbst standen in diesem Nebel.
Die Erde zitterte immer wieder. Dazu das heftige Klopfen eines Uhrwerks. Zur Beruhigung ließen wir noch einmal die wärmende Flasche kreisen, schlangen gierig unser vielleicht letztes Mahl hinunter und lenkten uns dann mit Musik ab. Wir hatten Gitarren, Chanrangos und Panflöten mitgebracht und versuchten nun den mächtigen Berg in den Schlaf zu singen. Immer wieder aber übertönte uns sein wütendes Keuchen, auf das wir uns, die Zeit immer im Blick, bald an den Abstige machten.
Zurück in gemäßigter Zivilisation, bei unseren uniformierten Freunden, ließen wir uns noch etwas nieder. Es waren inzwischen viele Menschen hier. Sie alle saßen auf der Terasse des kleinen Gasthauses. Man lachte, aß und trank.
Es war eine schöne Runde und wir feierten noch etwas mit den Bewohnern.
Dann aber.. Ein mächtiges Donnern und wir konnten den Himmel brennen sehen. Es war als hätte sich die schwarze Tür der Nacht mit einem Mal aufgetan. Heraus quoll rotglühende Hitze. Das Innerste des Berges wurde immer wieder hinauskatapulitert in die schwarze Nacht. Die Lieder verstummten. Alle starrten wie gebannt auf das Feuer am Himmel. Glühende Brocken flogen dort am Horizont in hohen Bögen umher...
Dantes Inferno zeigte eine Kostprobe.
Und wir warem mit einem Mal sehr froh nicht mehr oben am Schicksalsberg zu stehen...


Die Bilder, die ich versuchte von dem Höllenschlunt aufzunehmen, wurden leider zu dunkel, anstelle dessen ein Bild, das ebenfalls dieser Tage hier am Tungurahua aufegnommen wurde. Jedoch von professionellen Kameras:

Der Berg ruft

Um mich herum ein dichtes Schneetreiben.
Ein stechender scharfer Schmerz in meinen Lungen. Mein Herz klopft schnell und ich schnappe gierig nach Luft.
Doch ich blicke in ein Panorama, welches gleichen ich noch nie gesehen habe. Vor mir erhebt sich die weite schneebedeckte Kuppe des Cotopaxi - mit knapp 5900 Metern größter aktiver Vulkan der Welt. Zur anderen Seite öffnet sich ein weites tiefes Tal, das tiefe Einblicke erlaubt. Zwischen Tal und mir, da liegen die Wolkenlandschaften. Ich stehe über diesen grotesken Wolkenbildern, die immer weicher zerfließen zu scheinen.
Während die Schneeflocken um mich wirbeln und ich mit dem Fuß in einem Eisklumpen scharre, da atme ich die dünne Luft tief ein und blicke ins weite.
Was ist geschehen? Gestern noch war ich im tiefsten Regnewald auf knapp 900 Metern höhe. Dann aber die Rückkehr nach Riobamba. Nach einem Monat endlich wieder in meinem kleinen Städtchen Riobamba.
Am nächsten Tag aber brach ich mit Regina auf, um den Cotopaxi zu erklimmen.
Und dort stehe ich nun. Oberhalb des Refugio Jose Ribas, auf über 4800 Metern. Einen Monat nur zuvor hatte ein Freund von uns den 5900 Meter hohen Gipfel erklommen. Das aber schien uns nun unmöglich. Auf dieser Höhe kostet ein Schritt unglaublich viel Kraft. Du kommst nur langsam vorwärts und schnappst heftig nach Luft.
Eine Besteigung bedarf größerer Planung, größerer Ausdauer und mehr Training.
So aber genossen wir schon hier an der Schneegrenze die unglaubliche Höhe und den ersten Schnee nach über einem Jahr.
Heute Morgen noch war ich im T-Shirt zum Bus gelaufen und nun stand ich schon zitternd im Schnee. Dieses Land überrascht. Und es überrascht jeden Tag.
Nach unglaublichen Minuten dort oben in einer anderen Welt, über den Wolken, begannen wir wieder den Abstieg.
Am Abend belohnten wir uns mit dicken Hamburgern, Popkorn und einem Film im Kino von Ambato, bevor wir am späten Abend wieder nach Riobamba zurückfuhren.
Der nächste Tag sollte wieder der alltäglichen Arbeit bei Sumaklife gewidmet sein. Nach einem Monat zurück bei Sumaklife.