Mittwoch, 16. Juni 2010

Reise nach Mordor

Nach einer Woche bin ich wahrlich wieder zurück. Eine arbeitsreiche erste Woche liegt hinter mir. Inspektionsbesuche auf den Comunidades, Aktualisierungen der Quinuadaten und jede Menge neues Quinua, welches gewogen und getragen werden wollte, boten mir eine unterhaltsame erste Woche zurück in Riobamba.
Es ist Freitagnachmittag und ich bin unheimlich müde. Die starke Andensonne und die vielen Aufgaben der Woche haben mich erschöpft. Das merke ich.
Doch für den heutigen Tag steht Großes an. Weltbewegendes.


Seit etwa zwei Wochen ist Mama Tungurahua wieder aktiv. Unser Hausvulkan spuckt Lava, Asche und Steine. Die dichten schwarzen Aschewolken wurden bis an die Küste nach Esmeraldas und Guayaquil getragen, sodass die armen Küstenbewohner ihre Häuser nur noch mit dichten Atemmasken verlassen konnten.
In Riobamba aber, eine der nächsten Städte des Tugurahua ist es verhältnismäßig ruhig. Riobambas Schulen wurden kurweilig evakuiert. Etwas Asche ist gefallen. Und vor allem Nachts schrecken einen immer wieder kleine Erdstöße oder das laute Grummeln des Berges auf.
Meine Arbeitskollegen und ich wollten mehr. Wir wollten das absolute Abenteuer. Den Nervenkitzel. Unseren Wagemut auf eine neue Spitze heben.
Wir wollten ganz dicht heran. So dicht als nur möglich.
So rottete sich eine kleine Gruppe wagemutiger Abenteurer zusammen und wir brachen am Freitagabend nach der Abreit in 2 Wagen auf. Eine Gruppe kaufte leckere Hühnchenschlegel mit Pommes für unterwegs, während wir Carlos in Guano abholten. Er hatte seine berühmt berüchtigte “Leche de Tigre” gemacht. Eine ecuadorianische Version des White Russian mit Zuckerrohrschnaps, Eiern und Milch.
Dann brachen wir auf. Ins Lande Mordor wie es schien. Der Schicksalsberg schrie laut seine Wut in die klate Nacht und die Schlücke aus der wärmenden Schnapsflasche wurden größer.
Wir kamen ohne weitere Zwischenfälle bis kurz hinter Penipe, doch dann verperrten uns die Wächter der Finsternis den Durchgang. Die Polizisten hatten die Anweisung niemanden passieren zu lassen. Zu groß sei die Gefahr, warnten sie uns.
In Ecuador aber heißt ein Nein nicht immer Nein. Zumindest wenn diese Ablehnung ein Uniformierter formuliert, so gibt es verschiedene Möglichkeiten.
Zunächst versuchten wir uns als Journalisten der Radiofonicas Populares del Ecuador auszugeben, die Tonaufnahmen des grollenden Berges machen wollen. Für diesen Zweck hatten wir uns zuvor Ausweise der Journalisten ausgeliehen.
Wir diskutierten lange mit den Uniformierten, wiesen unsere handys als Aufnahmegeräte aus und boten schließlich etwas zu trinken an.
Dann durften wir passieren. Eine Stunde in der Sperrzone. Nicht länger. Auf eigene Gefahr.
Und so holperten wir die letzten Minuten hinauf zum Tungurahua. Das Land um uns wurde immer dunkler. Eine dicke Ascheschicht bedeckte alles. Straßen, Pflanzen, Häuser und Kühe. Alles war in eine graue Aschehaut gehüllt.
Schließlich kamen wir mit dem Auto nicht mehr weiter und mussten den Weg zu Fuss fortsetzen. Hier oben. Auf einer Höhe mit dem mächtigen Berg. Hier oben nahm man das Keuchen des Berges vollkommen wahr. Einem rhythmischen Stampfen gleich, grollt der Berg unablässlich in tiefen, rollenden Tönen. Als würden gierige Hände tief im inneren des Berges eifrig das Gestein zerklopfen. So klingt es aus dem Herzen.
Wie eine mächtige Dampfmaschiene, die unaufhaltsam ihrem Untergang entgegenrast.
Die Kuppe des Berges aber war in Rauch und Nebel gelegt. Auch wir selbst standen in diesem Nebel.
Die Erde zitterte immer wieder. Dazu das heftige Klopfen eines Uhrwerks. Zur Beruhigung ließen wir noch einmal die wärmende Flasche kreisen, schlangen gierig unser vielleicht letztes Mahl hinunter und lenkten uns dann mit Musik ab. Wir hatten Gitarren, Chanrangos und Panflöten mitgebracht und versuchten nun den mächtigen Berg in den Schlaf zu singen. Immer wieder aber übertönte uns sein wütendes Keuchen, auf das wir uns, die Zeit immer im Blick, bald an den Abstige machten.
Zurück in gemäßigter Zivilisation, bei unseren uniformierten Freunden, ließen wir uns noch etwas nieder. Es waren inzwischen viele Menschen hier. Sie alle saßen auf der Terasse des kleinen Gasthauses. Man lachte, aß und trank.
Es war eine schöne Runde und wir feierten noch etwas mit den Bewohnern.
Dann aber.. Ein mächtiges Donnern und wir konnten den Himmel brennen sehen. Es war als hätte sich die schwarze Tür der Nacht mit einem Mal aufgetan. Heraus quoll rotglühende Hitze. Das Innerste des Berges wurde immer wieder hinauskatapulitert in die schwarze Nacht. Die Lieder verstummten. Alle starrten wie gebannt auf das Feuer am Himmel. Glühende Brocken flogen dort am Horizont in hohen Bögen umher...
Dantes Inferno zeigte eine Kostprobe.
Und wir warem mit einem Mal sehr froh nicht mehr oben am Schicksalsberg zu stehen...


Die Bilder, die ich versuchte von dem Höllenschlunt aufzunehmen, wurden leider zu dunkel, anstelle dessen ein Bild, das ebenfalls dieser Tage hier am Tungurahua aufegnommen wurde. Jedoch von professionellen Kameras:

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