Mittwoch, 25. November 2009

Quito Zwischenseminar - eine Parallelwelt

Nachdem ich mich ein Wochenende lang von einer, meines Erachtens nach von ecuadorianischen Ärzten zur Bronchitis hochstilisierten, Erkältung ausgruht hatte fuhr ich am Sonntag zusammen mit Simon zum Zwischenseminar nach Quito um die nun schon 4 Monate hier in Ecuador Revue passieren zu lassen.
Schon die Fahrt nach Quito war wieder einmal einzigartig, da ich das große Glück hatte den 31. von 30 Sitzplätzen im Bus bekommen zu haben. Etwas verwundert begutachtete ich zunächst meine Busfahrkarte mit der 31 und schaute zwischen ihr und der kleinen Toilette neben der Nummer 30 hin und her. Schon witzelten die ersten Ecuadorianer einschließlich Simon, dass ich wohl die Klokarte gezogen hätte. Griff ins Klos!. Doch der noch immer laut “Quito, Quito, A Quito!” schreiende Busschaffner winkte mich nach vorne und so wurde mir der Beifahrerplatz neben dem Busfahrer angeboten, den ich stolz annahm.
Also konnte ich die Ecuadorianische Fahrweise, vor allem die der Busfahrer endlich einmal aus nächster Nähe sehen, ob ich das wirklich wollte ist eine andere Frage. Doch für die Landschaft hat es sich allemal gelohnt. Während also der nicht viel ältere Busfahrer als ich mich angrinste und lässig seine Sonnenbrille aus der Tasche zog und dabei in einer Haarnadelkurve einen LKW überholte, bot ich ihm eines meiner Hustenbonbons an und bestaunte dann die Landschaft.
Es war ein sehr klarer Tag und so sah ich die beeindruckenden Vulkane in Reihenfolge: Chimborazo, Altar, Tungurahua und Cotopaxi in ihrer vollen Pracht. Und war so zwischen Staunen über diese Schönheit und Wut über das Kameraunglück von Cuenca (man erinnere sich) hin und hergerissen.
So kamen wir aber dann in Quito an, wo ich zu meiner Überraschung bemerken musste, das ich den, auf der ganzen Fahrt durchschlafenden Simon, nicht sonderlich beeindrucken konnte mit meinen Erzählungen von dem Busfahrersitz.
Und so fuhren wir mit dem “Trole-Bus”, einem Straßenbahnbus von dem weit außerhalb liegenden Terminal nach Quito in die Innenstadt. Die Fahrt entpuppte sich als deutlich entspannter als zuvor angenommen, den bisher verband ich mit Quito immer unendlich volle Busse mit unendlich vielen Fingern, die in deinen Taschen wühlen. Hier am Terminal aber war der Bus leer und wir konnten uns einen Sitzplatz ergattern und so wurde die lange Fahrt durch Quito durch den Regen, der gegen die Scheiben prasselte, beinahe gemütlich.
Ja, seit Wochen, seit über einem Monat vielleicht sah ich wieder Regen, denn Ecuador durchlebt gerade eine niegekannte, nievermutete Trockenperiode. Dadurch bricht vor allem das Stromnetz zusammen, das in diesem kleinen Land fast ausschließlich auf einem Staudamm basiert und so wird man tagtäglich von den “apagones” heimgesucht - in jedem Barrio wird jeden Tag für mindestens 3 Stunden der Strom abgestellt, was meine Arbeit auch durchaus zum Teil erschwert. Natürlich leidet auch die Landwirtschaft stark unter der Trockenheit und in Ecuador spricht man schon vom Notstand und es werden dem umstrittenen Papa Rafael wieder einmal die verschiedensten Vorwürfe gemacht.
Und ausgerechnet in der Hauptstadt sehe ich dann die ersten Tropfen, die sich zu einem richtigen Regen ausweiten, der wieder einmal, in Ermangelung von Gullis, alle Straßen in Flüsse verwandelt. Gefolgt wird dieser Regen von einem Phänomen, das ich schon so oft hier in Ecuador sehen konnte. Außerhalb von Quito Regen aber kaum sind wir in der Innenstadt strahlender Sonnenschein und die “quitenos” liegen in den Parks herum und Sonnen sich. Man kann das Wetter in dieser Stadt nie einschätzen und vertrauen kann man ihm schon gar nicht.
In Quito treffen Simon und ich auf Maren und Yoki, die schon einen Tag früher in Quito waren und zusammen checken wir im guten alten Hotel Calima ein. Das war meine erste Adresse in Ecuador, dort habe ich meinen ersten Sonnenbrand auskuriert, geübt das Klopapier nicht ins Klo sondern in den Eimer zu werfen und auf mein Gepäck aus Caracas gewartet. Back to the roots!
Doch nicht lange bleibt Zeit in Erinnerungen zu schwelgen und so gehen wir zusammen mit unseren Begeliterinnen Estefanie und Carolina Pizza essen. Papa DED zahlt!
Wirklich interessant ist es jetzt die ganzen anderen Freiwilligen hier in Ecuador kennenzuleren, die nach mir ankamen und die ich noch nicht kennen lernen konnte. Eine wirklich schöne Chance. So treffe ich auch Paul von meinem Auswahlseminar wieder, der jetzt in Quito arbeitet. Es werden Erfahrungen ausgetauscht und es wird vor allem eins: richtig viel gegessen.
Dannach dann noch in die “Mariscal” - Quitos Patymeile - und die Gespräche bei “canelaso” (warmer Zuckerrohrschnaps) und Bier weiterführen.
Die Gesichter am nächsten morgen sprechen für den Abend und gestärkt durch frisches Obst, Rührei und Kaffeee und bewaffnet mit Sonnenbrillen geht es in aller frühe ins Hotel “Quito”.
Warum? Wegen der Trockenheit. Trockenheit - Stromausfälle - Nicht gut für unser Seminar!
Also hat der gute DED beschlossen unser Seminar in das etwas luxuriösere Hotel Quito zu verlgen, da dieses fast als einziges in Quito über eigene Transformatoren verfügt.
Diesem glücklichen Umstand verdanken wir auch ein leckeres Mittagsmenü am Pool unter Palmen und kleine Kaffepausen mit allerlei Köstlichkeiten. Kurz - ich fühlte mich sehr sehr wichtig in diesem Luxushotel im Auftrag der deutschen Regierung. Das Seminar an sich war auch im großen und ganzen interessant. Wir redeten viel über unsere Erfahrungen hier vor Ort - so musste jeder eine kleine Präsentation halten, ein Vertreter der Botschaft stellte sich uns vor und viele weitere DED-weltwärts-Vertreter anderer Länder Lateinamerikas waren anwesend. So waren vor allem die Kaffeepausen mit den schon erwähnten Leckerein sehr interessant um sich mit den anderen weltwärts-Vertretern, dem DED-Chef von Ecuador oder dem Botschaftlichen Mitarbeiter zu unterhalten.
Das Seminar dauerte noch den ganzen Tag. Uns wurden so etwa auch die Projekte des DED in Ecuador vorgestellt. Diese haben nichts mit dem weltwärts-Programm in welchem ich mich bewege zu tun. Sondern hierbei handelt es sich um die “wirklichen” Projekte von Entwicklungshelfern. Uns weltwärtslern soll dabei eine Chance geschaffen werden ein einmonatiges Praktikum in einem dieser Projekte zu absolvieren um genauere Einblicke in die Arbeit des DED in Ecuador zu bekommen. Ich halte das für eine großartige Chance und interessiere mich sehr für eine solche Arbeit.
Der Tag fand schließlich seinen Abschluss im Haus des DED-Landeschefs von Ecuador.
Mit einem Privatbus fuhren wir in die etwas außerhalb liegenden Viertel der reicheren Bewohner Quitos, die extra bewacht sind und durften dann einen wunderschönen Abend zusammen mit DED-Mitarbeitern verbringen. Der DED-Landeschef und seine Frau entpuppten sich als wunderbare und zuvorkommende Gastgeber und so wurde es ein feuchtfröhlicher und sehr interessanter Abend und man sah sich schon im Gespräch mit DED- und Botschaftsfunktionären Verbindungen für die Zukunft knüpfen.
Nach diesem schönen Abend ging es dann noch einmal in die “Mariscal” und auch von dieser Nacht erzählten unsere Gesichter am nächsten Morgen.
Und wieder folgte eine Einheit des Seminars im Hotel Quito. Diesmal behandelten wir bisherige Probleme und den Umgang mit diesen und diskutierten ausführlich in Kleingruppen.
Nach dem Mittagessen am Hotelpool im Schatten der Sonnenschirme ging es dann für die meisten Freiwilligen zurück in ihre ecuadorianischen Heimatstädte. Nur einige blieben um eine weitere “capacitacion” zum Thema Englischunterricht zu bekommen. Doch ich, der ja keiner lehrenden Arbeit, sonder vielmehr einer Sackschleppenden Aufgabe hier nachgeht fuhr zurück in mein geliebtes Riobamba.
Das war also das erste Zwischenseminar. Resümee? Sehr interessant mit den anderen Freiwilligen zu reden. Sehr interessant mit den vielen DED-Mitarbeitern zu reden. Sehr sehr komisch diese plötzliche Luxuswelt - diese Parallelwelt.
Im Bus zurück nach Riobamba waren meine Gefühle zweigeteilt. Einerseits fühlte ich mich stolz die ganzen Menschen vom DED kennen gelernt zu haben und auch dieser Luxus hatte mir irgendwie gefallen, aber andererseits fühlte ich mich auch schuldig und komisch dabei, auch noch während ich gerade schreibe habe ich dieses Gefühl. Dann kommt schnell das Schlagwort Freiwilligentourismus auf und das der Selbstnutz größer ist, als was ich hier zu geben vermag.
Ich will dieses Thema allerdings an dieser Stelle nicht breittreten, der Artikel ist schon lange genug. Wichtig ist denke ich aber seine Rolle hier im Ausland differenziert zu sehen und sich vor Selbsterhöhung zu schützen.
Diese Welt, die ich an diesen zwei Tagen in Quito gesehen habe und in der ich mich bewegte, so gut sie mir auch gefallen haben mag: Ecuador war das nicht. Und das muss einem auch bewusst sein!

Impressionen einer anderen Welt:

Quito Zwischenseminar

1 Kommentar: